Pensionsschock: Wer braucht mich?

Pensionsschock

Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die meisten von uns betrifft dieses Thema noch gar nicht (bzw. sind in Phase 1 – siehe weiter unten), manche aber schon eher (sind in Phase 2 – siehe weiter unten).
Irgendwann aber betrifft’s jeden von uns – zum jederzeitigen Nachlesen haben wir diesen Artikel hier aufgenommen.


Manfred P. aus einer kleinen Ortschaft in NÖ., vom Arbeitgeber vor Jahren in Pension geschickt, fährt mittlerweile Jugendliche in die Disko und holt sie spätnachts wieder ab. Jedes Wochenende und an Feiertagen bringt er seine „Schützlinge“ wohlbehalten nach Hause. Unter einem Pensionsschock litt er anfangs schon, aber jetzt ist er für die Jugend da und nimmt am Leben der jungen Leute Anteil. „Sie erzählen mir alles“, meint er schmunzelnd, „und ich kenne alle ihre Geschichten.“ Bis drei oder vier Uhr früh sei er oft unterwegs. Die Disko-Kids sind von ihm begeistert, überall, wo er hinkommt, kennt und begrüßt man ihn und das mache ihn glücklich. Doch nicht jeder frischgebackene Pensionist findet so schnell und so leicht seine Berufung wie Manfred.

Die Aussicht, in Pension zu gehen, löst nicht bei allen Berufstätigen nur ungetrübte Freude aus. Einigen bereitet dieser Gedanke sogar ziemliche Kopfzerbrechen. Ein Leben ohne Arbeit scheint unerfüllt und leer. Doch es geht auch anders. 

Abgesehen von finanziellen Einbußen gibt es noch weitere, manchmal oft triftigere Ursachen, die  den Übergang in den Ruhestand vergällen. Nicht ohne Grund läuft ein Viertel der Arbeitnehmer Gefahr, einen Pensionsschock zu erleiden.

Besonders wer im Beruf eine hohe Zufriedenheit erzielen konnte und bislang wenig private Interessen und Kontakte pflegte, fällt leicht in ein schwarzes Loch, erklärt Ullrich Meise, Direktor der „Gesellschaft für Psychische Gesundheit – pro mente tirol“. Der Verlust von beruflicher Anerkennung, Selbstverwirklichung und des sozialen Netzwerks führen oft zum Eindruck, dass man nun zum „alten Eisen“ gehört, an den Rand der aktiven Gesellschaft gedrängt, nicht mehr gebraucht wird und der „letzte“ Lebensabschnitt wie eine dunkle Wolke am Horizont heranzieht. Die Angst vor dem Alter mit seinen oft unangenehmen Begleiterscheinungen wie Krankheit oder mangelnde Mobilität klopft nun an die Tür.

Zusätzlich sind mit dem Eintritt in den Ruhestand auch Auswirkungen auf andere Lebensbereiche verbunden. Die Zeitplanung ändert sich gravierend, Kontakte zu Verwandten und Bekannten sollten neu geknüpft oder intensiviert werden. Auch für die Partnerschaft kann der Pensionsantritt zur Belastungsprobe werden, weil nun viel mehr Zeit als früher miteinander verbracht wird, die Aufgaben evt. neu verteilt werden und sich beide Partner erst auf diese neue Situation einstellen müssen.

Langfristig betrachtet sieht die Sache aber schon wieder ganz anders aus: Mehr als 65 Prozent der Arbeitnehmer erleben die Pension in weiterer Folge als ein sehr erfreuliches Ereignis. Wer bewusst und mit guter Planung an diesen neuen Lebensabschnitt herangeht, wird auch die erste Umgewöhnungsphase leichter bewältigen.

Robert Atchley (1976) definierte in seiner „Soziologie des Ruhestands“ ein Modell mit sieben Phasen, das beschreibt, wie sich die Einstellung zur Pension im Laufe des Lebens verändern kann:

1. Entfernte Phase:
Diese reicht von der Jugend bis ca. drei Jahre vor den Pensionsantritt. Der Ruhestand wird als ewiger Urlaub und ständige Freizeit betrachtet.

2. Nähephase:
Kurz vor der Pension beschäftigt sich der Betroffene aktiv mit der neu auf ihn zukommenden Rolle. Finanzielle Ansprüche werden geprüft, die Einstellung zur Pension verschlechtert sich, erste Ängste treten auf. Unterschiedliche Zukunftsszenarien – teils romantisierend, teils unrealistisch werden entworfen.

3. Euphoriephase:
Gleich nach Pensionsbeginn folgt die „Honeymoon-Phase“. Die neu gewonnene Freizeit wird genossen, Reisen unternommen. Menschen, die krank sind oder über wenig Geld verfügen, erleben diese Phase nicht so euphorisch.

4. Ernüchterungsphase:
Nachdem der erste „Rausch“ verflogen ist, tritt eine Ernüchterung ein. Ruhestand ist eben kein ewig dauernder Urlaub. Schön langsam gewinnt die Erkenntnis Oberhand, dass auch in der Pension Sinnfindung und Aufgaben, Struktur und Orientierung notwendig sind.

5. Reorientierungsphase:
Nach der Ernüchterung folgt die Neuorientierung. Der Alltag wird strukturiert. Besonders jene Menschen, die schon vorher Pläne für die Zeit der Pension machten, finden sehr schnell in eine neue Alltagsroutine, die sie zufriedenstellt.

6. Stabilitätsphase:
Diese umfasst die längste Zeit des Pensionisten-Daseins. Die Menschen haben sich mit ihrer neuen Rolle identifiziert und arrangiert. Das Leben läuft bequem und geregelt ab. Veränderungen, wie z.B. eigene Erkrankungen oder solche des Partners werden gut bewältigt.

7. Endphase:
Ist der Übergang des Pensionisten zu einem hilfsbedürftigen Menschen, der von der Pflege anderer abhängig ist. Diese Phase kann ausbleiben, nur ganz kurz dauern, oder aber sich auch über Jahre erstrecken.

Die Klassifizierung von Atchley wird zwar in der Realität nicht exakt in dieser Art und Weise bei jedem Menschen in Erscheinung treten, sie dient aber in der Wissenschaft als Anhaltspunkt, welche Phasen ein Mensch im dritten Lebensabschnitt durchlaufen kann.

Wer daher nach Pensionsantritt merkt, dass er deprimiert, traurig oder aber auch grantig oder überaktiv zu werden beginnt, sollte sich bewusst machen, dass er eine ganz normale Phase der Veränderung und Anpassung an eine neue Lebenssituation durchlebt. Bei länger andauernden seelischen Verstimmungen kann man durchaus einen Coach, Lebensberater oder Therapeuten zu Rate ziehen, der oft als Impulsgeber für neue Lösungswege fungiert.

Dem Leben einen Sinn geben
In diesem Zusammenhang raten alle Experten sich rechtzeitig – am besten ein bis zwei Jahre vor Pensionsbeginn – Gedanken über den (persönlichen) Sinn des Lebens zu machen, welche Träume man sich schon immer erfüllen wollte oder auch ganz trivial: Welche Arbeiten man schon immer erledigen wollte, bislang aber nie dazugekommen ist. Nun ist Zeit dafür, diese Dinge in Angriff zu nehmen.

Wer seinen Tagesablauf in der Pension strukturieren und planen will, wird sicher ausreichend Beschäftigungsmöglichkeiten finden. Je nach individuellen Vorlieben, Talenten, Anlagen und Wertvorstellungen stehen jedem Menschen eine Vielzahl von Wegen zu einem zufriedenen, erfüllten Leben zur Auswahl.

Einige Beispiele:

  • Wer sich gerne sozial engagiert, hat es am leichtesten, denn Unterstützung und Hilfe wird überall benötigt: in der Familie, bei Bekannten, Verwandten, Freunden, Nachbarn, in der Seniorenbetreuung, in Tierschutzhäusern (mit Hunden „äußerln“ gehen), im Umweltschutz, in der Kinderbetreuung, zur Rettung brasilianischer Regenwälder, für Wasserprojekte in Afrika oder Indien, oder eine Kleidersammlung für die Pfarre nebenan – die Liste ist unendlich lange.
  • Ehrenamtliche Tätigkeiten in Vereinen, in der Pfarre, in der Politik
  • Wer nicht auf bezahlte Arbeit verzichten will/kann, sucht sich eine Erwerbstätigkeit neben der Pension, am besten in Teilzeit, sodass noch ausreichend Freizeit bleibt.
  • Das Hobby zur Berufung machen, z.B. wer künstlerisch begabt ist, kann malen, Bücher schreiben, musizieren, kunsthandwerken, basteln, heimwerken, etc.
  • Die Welt bereisen, den Horizont erweitern – neue Erfahrungen tätigen, Sprachen lernen,  ein Studium absolvieren
  • mehr auf die eigene Gesundheit achten, bewusste Ernährung, mehr bewegen, Yogakurse, laufen gehen, Golf spielen, neue Sportarten ausprobieren, etc.
  • Partnerschaft und soziale Kontakte zu neuem Leben erwecken und mit neuer Qualität gestalten
  • Vorsorge für das spätere Alter treffen, wie z.B. altersgerechte Gestaltung der Wohnung, den Garten so anlegen, dass er weniger arbeitsaufwändig wird, Vorsorge für eine spätere eventuelle Pflege, Anmeldung ins Pensionistenheim, Erwerb einer Seniorenwohnung, etc.
  • Auch die Spiritualität könnte nun in aller Ruhe zum Thema werden, sollte das bislang noch nicht der Fall gewesen sein, also die Beschäftigung und Auseinandersetzung mit „Gott und der Welt“.

Für welche Beschäftigungen man sich auch entscheidet, sie sollten Freude bereiten, aber nicht zur Belastung werden. Es muss immer noch ausreichend Zeit zum Erholen, für Treffen mit Freunden und Familie oder für Reisen sein.
(Artikel übernommen von: Fonds Gesundes Österreich, 30.06.2010)

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