Die versteckte Arbeitszeit: 40-Stunden-Woche ist meist Theorie

Acht Stunden pro Tag, 40 oder sogar nur 38,5 Stunden pro Woche, sind für die meisten Arbeitnehmer Theorie. In der Praxis dauert es oft länger, das Gesetz erlaubt zahlreiche Ausnahmen – schon jetzt, wo über eine weitere Flexibilisierung der Arbeitszeit verhandelt wird.

Überstunden sind grob gesagt alle Arbeitsstunden, die über die tägliche oder wöchentliche Maximalarbeitszeit hinaus geleistet werden. Fast jeder Fünfte macht sie, wie Zahlen der Statistik Austria zeigen. Laut den aktuellsten Zahlen vom dritten Quartal des Vorjahres leisteten in diesem Zeitraum 650.600 unselbständig Beschäftigte Mehr- bzw. Überstunden, knapp 18 Prozent. Auf Jahressicht waren es 2015 bei einer Gesamtzahl von etwa 3,5 Mio. Arbeitern und Angestellten 19 Prozent.

Im Schnitt 7,2 Stunden pro Woche
Zwischen Männern und Frauen (die generell viel häufiger in Teilzeit sind) zeigen die Zahlen ein deutliches Gefälle: Bei den Männern arbeiteten 2015 22,8 Prozent länger, bei den Frauen 12,2. Unter jenen, die Überstunden machten, lag der Anteil derer, die drei Stunden pro Woche länger blieben, bei 29 Prozent. Vier bis fünf Stunden plus leisteten 2015 knapp 25 Prozent, sechs bis neun Stunden mehr arbeiteten rund 18 Prozent. Zehn zusätzliche Stunden und mehr leisteten stolze 28 Prozent. Noch mehr geht eigentlich für die meisten Beschäftigen nicht, zumindest bis jetzt nicht – aber darüber wird verhandelt.Längerfristig ist der Trend zum Länger-Arbeiten rückläufig. Laut Daten der Statistik Austria leisteten 2005 und 2006 noch knapp 23 Prozent Mehr- bzw. Überstunden. 2007, im Jahr des Heraufdämmerns der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise, waren es sogar 24,2 Prozent. Danach ging der Wert sukzessive zurück. Im Schnitt wurden 2015 pro Überstundenleistendem 7,2 Stunden pro Woche gezählt.

Grafik zu ÜberstundenGrafik: ORF.at; Quelle: Statistik Austria

Nur Griechen arbeiten in EU länger
Im internationalen Vergleich der EU-Statistikbehörde Eurostat liegen die Österreicherinnen und Österreicher in puncto tatsächlich geleistete Arbeitszeit ganz weit vorne. Mit im Schnitt 42,9 Stunden pro Woche rangierte Österreich 2015 ex aequo mit Großbritannien (und dem Nicht-EU-Land Schweiz) auf Platz zwei hinter Griechenland mit 44,5 Stunden. Die Deutschen arbeiten laut Statistik 41,4 Stunden pro Woche – das ist auch der Schnitt der EU-28. Den Anfang und das Ende des Spektrums bilden die beiden Nicht-EU-Länder Norwegen mit 38,9 und Türkei mit 50,9 Stunden.

Fast jede fünfte Stunde unbezahlt
Ein wesentlicher Punkt: Wenn Mehr- oder Überstunden geleistet, aber nicht bezahlt werden, ist das kein Ausnahmefall. Dazu heißt es von der Statistik Austria im Arbeitsmarktbericht vom März 2016: „Nicht alle geleisteten Überstunden werden bezahlt oder durch einen entsprechenden Zeitausgleich mit Zuschlägen abgegolten.“ Von 7,2 seien im Schnitt 5,7 Stunden bezahlt worden. Knapp jede fünfte Überstunde wurde nach dieser Rechnung gratis geleistet. Bei Frauen liegt der Prozentsatz mit 27,4 deutlich höher als bei Männern mit 17,8 Prozent.

Wie viel man arbeiten darf
Wie viel man als unselbständig Beschäftigter überhaupt arbeiten darf, ist im Arbeitszeitgesetz (AZG) festgelegt. Paragraf 3 besagt: „Die tägliche Normalarbeitszeit darf acht Stunden, die wöchentliche Normalarbeitszeit vierzig Stunden nicht überschreiten, soweit im Folgenden nicht anderes bestimmt wird.“

Paragraf 4 erlaubt eine tägliche Maximalarbeitszeit von zehn Stunden, bei Bereitschaften sind auch 60 Wochenstunden (und darüber) möglich. Die zahlreichen möglichen Ausnahmen sind im AZG selbst, in Kollektivverträgen und Betriebsvereinbarungen definiert – und für Laien nicht immer ganz einfach durchschaubar.

Stichwort durchschaubar: Nebulös wird es laut Arbeitnehmervertretern oft bei den immer häufiger werdenden „All-in“-Verträgen. In diesen sind etwa Überstunden, Bereitschaften und Wochenendarbeit pauschal abgegolten – nur wie viele Stunden wüssten die Betroffenen oft nicht, kritisierte zuletzt erneut die Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier (GPA-djp) in einer Aussendung. Sie bietet seit letztem Jahr einen eigenen Rechner an. Damit sollen Beschäftigte herausfinden, was sie wirklich wofür bekommen.

Wo sich zusätzliche Stunden noch „verstecken“
Es muss aber nicht immer „All-in“ sein. Auch in Mehrstundenpauschalen versteckt sich – zwar korrekt und pünktlich bezahlte – aber zusätzliche Arbeitszeit. Das kann leicht dazu führen, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer de facto einen Tag pro Monat oder mehr zusätzlich leisten müssen. Eine „echte“ Überstundenpauschale deckt ein Kontingent an regelmäßigen Überstunden ab, trägt also auch schon zur Flexibilisierung der Arbeit bei.

Diese ist derzeit eines der größeren innenpolitischen Themen. Die Sozialpartner sollen im Auftrag der Bundesregierung ein Modell auf die Beine stellen, und das bis zum Sommer. Aus der Arbeiterkammer (AK) hieß es dazu kürzlich, es schrillten bereits die „Alarmglocken“, die Wirtschaft wolle in Wirklichkeit mehr Flexibilität für weniger Geld. Überstundenzuschläge sollten verschwinden.

„Betriebliche Realitäten“
Die Wirtschaftskammer (WKÖ) verwies auf Gesprächsbereitschaft beim Thema 1.500 Euro Mindestlohn (der auch im Paket mitverhandelt wird) und ließ zuletzt wissen: „Höhere Mindestlöhne und gleichzeitig kürzere Arbeitszeiten – das wird sich nicht ausgehen.“ Es gehe ihr nicht um Arbeitszeiten, hieß es von der Industriellenvereinigung (IV). Es gehe um „betriebliche Realitäten“, es solle gearbeitet werden können, „wenn es sinnvoll ist“.
(Information gesehen auf orf.at, 01.03.2017)

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