Verfassungsgerichtshof verhandelt Kassenfusion

Ab 8. Oktober prüft der Verfassungsgerichtshof (VfGH), ob die Sozialversicherungsreform gegen verfassungsrechtliche Grundsätze der Selbstverwaltung verstößt. Insgesamt wurden vierzehn Anträge auf Gesetzesprüfung gegen die Ende 2018 verabschiedete SV-Reform beim VfGH eingebracht, unter anderem von mehreren Arbeiterkammern und Gebietskrankenkassen. Die Verhandlungen werden nach Schätzung von ExpertInnen mehrere Wochen dauern.

Einfluss von ArbeitnehmerInnen wird zurückgedrängt
Die Anträge richten sich laut VfGH vor allem gegen die Vereinigung der Gebietskrankenkassen und der Betriebskrankenkassen zur Österreichischen Gesundheitskasse (ÖAK), die Neuregelung der staatlichen Aufsicht über die Sozialversicherungsträger und die Neugestaltung der Verwaltung.

Bisher haben die Gremien der Sozialversicherung die gesellschaftlichen Mehrheitsverhältnisse widergespiegelt — zwei Drittel der VertreterInnen kamen aus Gewerkschaft und Arbeiterkammer (ArbeitnehmerInnen) und ein Drittel aus der Wirtschaftskammer (Arbeitgeber).

In Zukunft sollen Arbeitgeber und ArbeitnehmerInnen stimmengleich vertreten sein. Damit würde die Macht der Arbeitgeber gestärkt werden, während der Einfluss der ArbeitnehmerInnen zurückgedrängt wird.

Privatisierungen, Selbstbehalte und schlechtere Leistungen
Ab 1.1. 2020 sollen die neun Gebietskrankenkassen zu einer Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) fusioniert werden. Eisenbahner und Beamte werden ebenso zusammengelegt wie Selbstständige und Bauern, eigenständige Träger bleiben die Pensionsversicherung und die Unfallversicherungsanstalt — in Summe gibt es daher künftig fünf statt 21 Träger. Unter dem Deckmantel der “Entbürokratisierung“ drohen allerdings Privatisierungen, Selbstbehalte und schlechtere Leistungen.

„Mit der Zusammenlegung wird den Krankenkassen Geld entzogen – und zwar rund eine Milliarde Euro. Das wird unweigerlich irgendwann zu spüren sein. Deshalb ist zu befürchten, dass es zu Leistungskürzungen bei PatientInnen kommt oder diese durch Selbstbehalte zur Kasse gebeten werden“, betont Ingrid Reischl, Leitende Sekretärin im ÖGB.

Gutachten bestätigt falsch berechnetes Einsparungspotential
Die vergangene ÖVP-FPÖ-Regierung hat die Zusammenlegung der neun Gebietskrankenkassen auf den Weg gebracht und diese mit einem Einsparungspotential in der Höhe von 300 Millionen Euro pro Jahr argumentiert — zu diesem Ergebnis kam eine von der ehemaligen Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) in Auftrag gegebene Studie.

Ein von der Arbeiterkammer Wien in Auftrag gegebenes Gutachten der Uni Graz bestätigte allerdings die Zweifel von ÖGB und AK, dass fast alle angegebenen Zahlen falsch berechnet wurden. Die Einsparungskosten wurden zu hoch eingeschätzt und die Ausgaben zu niedrig. Die Einsparungen liegen damit nicht bei 100 Millionen Euro jährlich, sondern nur bei 30 Millionen.
(Information des ÖGB, 08.10.2019)

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