Das Minus in der Sozialversicherung: Wie entstand es, wie entwickelt es sich?

Das Minus in der Sozialversicherung: Wie es zustande kam und wie es sich entwickeln wird
Am 1. April 2019 läutete der Startschuss zum Kassenumbau auch den Beginn der hohen Verluste in der Sozialversicherung ein. Was war zuvor geschehen?
Türkis-Blau sahen im Kassenumbau vor allem ein Prestigeprojekt. Es sollte als frühes Musterbeispiel für sogenannte „Effizienz“ und „Synergieeffekte“ gelten und die neue Regierung hervorheben.

Wie aber schon von ÖGB und vielen weiteren Kritikern zuvor gewarnt, schlug es dann in das genaue Gegenteil um. Statt der von ÖVP und FPÖ versprochenen Ersparnis von einer Milliarde Euro, der sogenannten „Patientenmilliarde“, standen die Versicherten nun vor einem „Milliardengrab“, wie es die Leitende Sekretärin im ÖGB, Ingrid Reischl, auf den Punkt bringt.

Finanzielle Schlaglöcher durch Kassaumbau
Durch den Kassaumbau wurden große finanzielle Schlaglöcher geschaffen. Denn während die Krankenkassen in den letzten Jahren gut bilanziert hatten, wurden durch die Beschlüsse von Kurz und Strache große Verluste verursacht. Ein Blick auf die Zahlen zeigt das: Im Jahr 2018 hatten die neun Gebietskrankenkassen noch einen Überschuss von 75 Millionen Euro erreicht. 2019 drehte sich das Ergebnis. Die Kassen machten bereits einen Verlust von 50,7 Millionen Euro.

Und schon die Zukunftsperspektiven vor der Corona-Krise sahen ganz und gar nicht rosig aus: Für 2021 wurde ein Minus von 178,1 Millionen Euro und für 2022 eines von 295 Millionen Euro prognostiziert. Kumuliert bedeutete das in fünf Jahren einen Bilanzverlust von insgesamt 1,7 Milliarden Euro.

Sozialversicherung schlittert weiter in tiefes Minus
Vor dem Hintergrund der Corona-Krise wird es dieses Jahr bis zum Jahresende an 400 Millionen Euro in der Sozialversicherung fehlen, schätzt Andi Huss, ArbeitnehmerInnen-Obmann in der ÖGK.

Die offizielle Gebarungsstatistik vom Februar 2020, also vor der Coronakrise, zeigt ein ähnliches Bild. Für 2020 fehlte der Sozialversicherung mehr als 216 Millionen Euro. Für die Jahre 2020/21 sollen es 225 Millionen und für 2021/2022 schon 365 Millionen. Nun ist aufgrund der aktuellen Krise allerdings mit deutlich schlechteren Zahlen zu rechnen, die Gebarenvorschaurechnung wurde bedingt durch die Krise erstmal von Mitte Mai auf die kommenden Monate verschoben.
(Information des ÖGB, 18.05.2020)

Weitere Informationen zum Thema siehe hier: 

Sozialversicherung schlittert weiter in tiefes Minus
Bis Jahresende fehlen der Sozialversicherung 400 Millionen Euro. Dies könnte für Versicherte zu eingeschränkten Leistungen führen

Es droht ein großes Defizit in der Sozialversicherung. Bis zum Jahresende werden ihr jedenfalls 400 Millionen Euro fehlen, die aufgrund der explosionsartig gestiegenen Arbeitslosigkeit nicht mehr eingezahlt werden können. Auf die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) entfallen 19 Prozent, also 76 Millionen Euro. Vor diesem Hintergrund warnt der Vize-Obmann der ÖGK, Andreas Huss, neuerlich vor einem Defizit der Kassen.

ArbeitnehmerInnen haben Beiträge schon abbezahlt
Bislang sind 880 Millionen Euro bereits gestundet worden, rechnet Huss vor. Diese Summe ergibt sich aus Beiträgen, die von Unternehmen aufgrund von Stundungsmöglichkeiten nicht abgeliefert wurden.

Doch was passiert, wenn die gestundeten Beiträge dann doch nicht kommen, weil beispielsweise Insolvenzen oder Maßnahmen der Regierung einen Strich durch die Rechnung machen? „Wir rechnen damit, dass einige Unternehmen, deren Beiträge jetzt gestundet werden, die Coronakrise wirtschaftlich nicht überleben werden. Daher werden wir diese gestundeten Beiträge dann wohl abschreiben müssen“, fürchtet Huss. „Das ist besonders ärgerlich, weil die ArbeitnehmerInnen diese Beiträge ja schon bezahlt und erarbeitet haben und wir natürlich auch die entsprechenden Leistungen erbracht haben“, fügt er hinzu.

Die Stundungsmöglichkeit selbst ist vorerst bis Ende Mai begrenzt. Sie wird aber aller Voraussicht nach verlängert. „Wie viel wir davon dann tatsächlich abschreiben müssen, können wir heute natürlich noch nicht sagen“, bekundet Huss. Offizielle April-Zahlen zu den Stundungen und noch ausständigen Sozialversicherungsbeiträgen gibt es vorerst nicht, diese werden erst Ende Mai vorliegen.

Leistungssenkung für Versicherte als Folge
Sollte die Regierung diese Ausfälle nicht ersetzen, wären die Folgen dramatisch. Es würde auch all jenen in die Hände spielen, die Gesundheitsleistungen ohnehin schon lange privatisieren wollten. Derartige Ausfälle wären dann nur schwer zu verkraften: Auch die vorhandenen Rücklagen in Höhe von 1,2 Milliarden Euro (die auch in Gebäuden und Einrichtungen stecken und bei weitem nicht zu 100 Prozent zur Bezahlung von Rechnungen verwendet werden können) würden dann nicht reichen. „Dann werden wir Leistungen einschränken und das Versorgungsniveau empfindlich senken müssen“, prognostiziert Huss.

Aber selbst wenn sich das Defizit aufgrund einer schnell wieder anlaufenden Wirtschaft nicht so dramatisch entwickelt: An einen Ausbau der Leistungen für die Versicherten oder Weiterentwicklungen in der heimischen Medizin wäre dann lange nicht mehr zu denken. „Deshalb ist eine umfassende Abgeltung unserer Einnahmenausfälle durch den Bund alternativlos, um eine umfassende Gesundheitsversorgung sicherzustellen“, unterstreicht Huss.
(Information des ÖGB, 15.05.2020)

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